GELESEN | Astrid Lindgren & Sara Schwardt: Deine Briefe lege ich unter die Matratze

Die Schriftstellerin und das Mädchen

Als Leser oder Leserin kann man sich einer Schriftstellerin nach Lektüre ihrer Werke durchaus eng verbunden fühlen. Man hat vielleicht auch Fragen an sie. Die damals zwölfjährige Sara Schwardt hatte den Mut, die berühmte Astrid Lindgren anzuschreiben - und wurde reich belohnt.

 

Darum geht es

Berühmte Autoren bekommen viel Leserpost. Das ist nicht erst heute so – aber heute kann man vieles relativ schnell per Mail beantworten. Zu Astrid Lindgrens Zeiten war das noch nicht der Fall. Sie muss zu Papier und Stift greifen, um ihren Lesern zu antworten. Das tut sie nach eigenem Bekunden auch sehr gewissenhaft, aber im Normalfall bleibt es bei einem einmaligen Austausch.

 

Ganz anders ist es, als ihr im Jahr 1971 die damals zwölfjährige Sara der 53-jährigen Astrid Lindgren einen leidenschaftlichen Brief schreibt. Zwischen den beiden entwickelt sich eine Brieffreundschaft, die Jahrzehnte andauert. Sie schreiben sich nicht oft, aber immer sehr innig, tauschen sich über das Leben, die Liebe, die Leiden der Jugendzeit und schließlich im wahrsten Sinne über Gott und die Welt aus.

 

Am Ende sind es rund 80 Briefe, die im Astrid-Lindgren-Archiv der Königlichen Bibliothek in Stockholm lagen und – mit Zustimmung von Sara – in diesem Buch veröffentlicht wurden.

  

Lese(t)räumchen meint

Ein ganz zauberhaftes und berührendes Buch!

 

In jeder Hinsicht außergewöhnlich. Allein, dass es diesen Briefwechsel überhaupt gab, dass Astrid Lindgren sich dem fremden Mädchen so geöffnet und ihr so viel Zeit gewidmet hat. Es bestand ja durchaus die Gefahr, dass ihre persönlichen Briefe an die Öffentlichkeit geraten könnten; wenn nicht absichtlich, dann doch versehentlich. Das wäre bei ihrem Bekanntheitsgrad sicherlich nicht angenehm für sie gewesen. Daher gibt Saras Beteuerung „Deine Briefe lege ich unter die Matratze" dem Buch seinen Titel. 

 

Die tiefe und lange Verbindung zwischen den beiden so unterschiedlichen Frauen – die sich übrigens nie von Angesicht zu Angesicht begegnet sind! – ist magisch. Letztlich erfährt man zwar weniger über Astrid Lindgren als über Sara, aber wie die berühmte Schriftstellerin sich auf ihre junge Brieffreundin einlässt, ist bemerkenswert. Sicher hat sie sich ihn ihr wiedererkannt, auch wenn ihr eigenes Leben ganz anders verlief.

 

Sara leidet an der Einsamkeit ihrer Jugend, an der Schule, ihren Eltern, ihrer Selbstwahrnehmung. Astrid wiederum gewährt Einblicke in ihr Familienleben und ihre Arbeit; sie erwähnt hin und wieder die Bücher, an denen sie gerade arbeitet. Und auch sie führt kein Bilderbuchleben. Sie wiederum leidet an den Ansprüchen, die von außen an sie gestellt werden ("das Hamsterrad"), am Verlust von Freunden und vor allem dem Tod ihres Bruders, an der Schlechtigkeit der Welt. Sie war deshalb ja auch politisch sehr engagiert und brachte damit in Schweden einiges in Bewegung. 

 

Formal ist sehr schön, dass einige der Briefe in Schwarz-Weiß abgebildet sind, sodass man sich einen Eindruck davon verschaffen kann, wie leidenschaftlich Sara ihre Briefe zu Papier gebracht hat - mit vielen Unterstreichungen, mit durchgestrichenen Wörtern, mit Anmerkungen.

 

Und womit Astrid Lindgren heute noch genauso aktuell ist wie vor 30 Jahren: in ihrer rigoros ablehnenden Haltung gegenüber dem Rauchen und dem Alkoholkonsum. Was sie in zwei sehr eindringlichen Briefen an Sara dazu geschrieben hat, könnte man heute noch jedem Jugendlichen unter die Nase halten.

 

Eine Stelle möchte ich zitieren, weil sie so typisch ist für Astrid Lindgrens unverblümte Art und ihren trockenen Humor. Auf Seite 190 in einem Brief zu Weihnachten 1979 schreibt sie: 

 

"Nach der Korrespondenz fragst du. Ja, das ist schlimmer denn je, besonders lästig sind die Deutschen. Seit ich in Frankfurt den Friedenspreis bekommen habe, habe ich jeden Morgen die halbe Nation im Briefkasten."  

 

Man muss sie einfach liebhaben! Sara ist übrigens wie Astrid Schwedin, das heißt, beide schrieben in ihrer Muttersprache.

Fazit

Ein ganz besonderes, bezauberndes und bereicherndes Buch für jedermann. Und natürlich ein absolutes Muss für jeden Astrid-Lindgren-Fan. Ich persönlich bewundere sie nach der Lektüre noch ein bisschen mehr als ohnehin schon.  


Steckbrief

Deine Briefe lege ich unter die Matratze. Ein Briefwechsel 1971 - 2002

Astrid Lindgren und Sara Schwardt

 

Umfang: 204 Seiten

Verlag: Oetinger

Preis: 19,99 Euro

Altersempfehlung des Verlags: ab 17 Jahren

Erscheinungstermin: 17.9.2015

 

Eine ausführliche Leseprobe ist auf der Verlagswebsite zu finden.


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Kommentare: 2
  • #1

    Miri (Donnerstag, 17 November 2016 20:33)

    Ich muss das Buch auch unbedingt noch lesen. Es liegt hier schon (in Originalsprache) bereit...

  • #2

    Jenni/Leseträumchen (Donnerstag, 17 November 2016 21:56)

    Wow, im Original ist natürlich noch toller! Ich habe auch schon überlegt, Schwedisch zu lernen, nur um Astrid Lindgren im Original lesen zu können. :)