GELESEN | Silke Schlichtmann: Bluma und das Gummischlangengeheimnis

Sind wir nicht alle ein bisschen Bluma?

"Mit Problemen ist das offensichtlich wie mit Obstfliegen: Hat man erst mal eins, werden's immer mehr."

So fasst das Mädchen Bluma ihre aktuelle Lage zusammen. Ob und wie sie sich daraus befreien kann, das erzählt Silke Schlichtmann in "Bluma und das Gummischlangengeheimnis" auf sehr charmante Art.

Darum geht es

Alles beginnt mit einer Fünf in Mathe. Bluma weiß nicht, wie und wann sie ihren Eltern die beibringen soll. Denn eigentlich möchte sie ihnen gerade heute berichten, dass ihre Nachbarin ins Altersheim ziehen wird und deshalb ihren  süßen Hund Flocki in gute Hände abgeben möchte - kostenlos sogar. Aber mit einer Fünf kann Bluma sich das abschminken, denn ihre Eltern wollten sowieso nie einen Hund haben, auch nicht bei guten Noten.

 

Bluma sucht Hilfe bei ihrer netten "Nebennachbarin", der Malerin Alice. Alice wohnt im buntesten Haus des Orts und sie kann so wunderbar zuhören. Wenn Bluma ihr von einem Problem erzählt (und einen Kaugummi aus Alices Sammlung kaut), kommt sie danach meistens ganz von selbst auf eine gute Lösung. Und falls doch nicht, dann hat Alice noch ein ganz und gar magisches Hilfsmittel parat: Während man eine ihrer geheimnisvollen riesigen Gummischlangen verspeist, fällt einem garantiert eine geniale Lösung ein! Bluma hat das schon ein paarmal erlebt.

 

Aber diesmal klappt einfach gar nichts und die Gummischlangen helfen kein bisschen - ganz im Gegenteil! Eine geklaute Gummischlange zieht Bluma sogar immer tiefer in einen Sumpf aus Notlügen und nicht gesagten Dingen. Und dann sieht es auch noch so aus, als wolle ihr ihre eigentlich beste Freundin Rosa den Hund Flocki vor der Nase wegschnappen! Kann es denn noch schlimmer kommen?

 

Bluma ist verzweifelt. Nun muss ihr wirklich etwas sehr, sehr Gutes einfallen, um das große Knäuel aus Lügen und Schweigen zu entwirren, in dem sie sich verfangen hat. Womöglich könnte es helfen, einfach die Wahrheit zu sagen …? Aber wem? Und wann ist dafür der richtige Zeitpunkt?

Lese(t)räumchen meint

Bluma ist ein sehr empathisches Mädchen und das weiß sie auch. Sie kennt sogar dieses schwierige Wort, weil ihre Mama es ihr erklärt hat. Dass Empathie keine Störung, sondern ein Talent ist, mag Bluma aber nicht recht glauben. Ganz im Gegenteil:

Superpeinlich ist die: Manchmal weine ich schon, bevor der, in den ich mich einfühle, überhaupt weiß, dass er gleich weinen muss. (Seite 124)

Meine absolute Lieblingsstelle!

 

Aber ihre Empathie und auch ihre Reflektiertheit und Cleverness bringen Bluma diesmal nicht weiter. Sie will die Sache  selbst ausbügeln, sie ist ja schon groß! Doch mit jedem Reparaturversuch schafft sie sich neue Probleme. Und bringt es einfach nicht fertig, sich jemandem anzuvertrauen. Ihre Mutter ist auf Dienstreise, ihr Vater im Strohwitwer-Stress. Und nicht mal die vielen Angebote ihrer Nachbarin Alice, sich ihr anzuvertrauen, kann sie annehmen. Weil Bluma sich für ihre Fehler schämt, weil das schlechte Gewissen sie im entscheidenden Moment lähmt und weil so aus lauter kleinen Mücken (bzw. Obstfliegen) monströse Elefanten werden. Und ihre eigentlich beste Freundin Rosa erscheint ihr auf einmal als die größte Verräterin der Welt - mit ihr kann Bluma auch nicht mehr reden, auf keinen Fall!

 

Wenn man ihre Geschichte liest, kann man sich auch als erwachsene/r Leser/in total in Blumas Lage versetzen. Jede/r hat selbst erlebt, wie man einfach nicht mehr herauskam aus einem gefühlt riesigen Dilemma, in das man sich selbst hineinmanövriert hatte und das immer noch größer wird, je mehr man es loswerden will. Und wie man dann so befangen ist, dass man alles falsch deutet ("Manchmal sehen die Dinge ganz anders aus, als sie sind", Seite 145) und die Auswege nicht erkennt, die sich einem bieten.

 

Doch auch wenn ihre ungelösten Probleme und die unausgesprochenen Worte Bluma belasten, ist ihre Geschichte (sie schreibt sie am Ende selbst auf) nicht schwermütig oder bedrückend, keine Sorge. Denn etwas verliert Bluma nie: ihren Humor und ihre großartige Beobachtungsgabe.

 

Beides hat sie ganz offensichtlich von ihrer Autorin Silke Schlichtmann. Denn sie erzählt Blumas Erlebnisse und Gefühle intensiv und trotzdem heiter, im besten Sinne schnörkellos und auf eine ganz bezaubernde Art mitreißend. Sie zeigt Bluma als bodenständiges Mädchen, das mitten im Leben steht und alles, was sie tut (oder auch nicht tut), bringt sie weiter. Die Autorin hat Bluma erfreulicherweise keine skurrilen Spleens, Hobbys oder nervige Geschwister angehängt. Sie bleibt ganz nah an Blumas Seite und lässt sie so normal sein, wie ein Mädchen sein kann - und genau das macht die Figur so liebenswert, ihre Erlebnisse so lebensnah und ihre Gefühle so nachvollziehbar.

 

Die rot-schwarzen Illustrationen von Ulrike Möltgen im Retro-Stil tragen zur weiteren Auflockerung der Geschichte bei. Echte Hingucker. Besonders mag ich Blumas chaotischen Papa auf den Zeichnungen.

Fazit

"Bluma und das Gummischlangengeheimnis" ist eine wunderbare Geschichte. Silke Schlichtmann behandelt große Themen wie Freundschaft und Vertrauen tief und ernsthaft, verpackt sie aber federleicht und mit ganz viel Liebe zu ihrer kleinen Heldin Bluma. Sie zu begleiten, ist eine große Freude und macht beim Lesen ein warmes Gefühl ums Herz. 

Zugabe: Warum heißt Bluma Bluma?

Falls ihr euch - so wie ich - gefragt habt, wie Bluma eigentlich zu ihrem ungewöhnlichen Namen gekommen ist, dann lest weiter. Silke Schlichtmann war nämlich so nett, es mir zu erzählen und sie hat zugestimmt, dass ich diesen sehr persönlichen Blick hinter die Kulissen hier weitergebe.


Als ich mit dem Schreiben der Geschichte anfing, hatte ich noch keinen richtigen Namen für meine Protagonistin. Ich probierte diverse, auch heute gängige aus, immer neue. Sie passten alle nicht. Für mich sind Namen sehr wichtig. Ich muss ein Gefühl für sie haben, erst dann sind die Figuren richtig da und ich kann sie erzählen, und weil der Name noch nicht da war, kam ich nun ins Stocken. 
 
Schließlich erzählte ich meinem Mann von diesem Schreibhemmnis. Er meinte: "Nenn Sie doch Bluma." Na toll, dachte ich, das war jetzt sehr hilfreich. "Bluma", das geht ja gar nicht. Später setzte ich mich wieder an den Schreibtisch - und: Es ging auf einmal. (Also im Nachhinein ein riesiges Dankeschön an meinen Mann.) Und noch viel später, als ich zwischendurch eine wissenschaftliche Arbeit las, entdeckte ich im Literaturverzeichnis eine Autorin mit Vornamen "Bluma"; erst dann googelte ich und wusste: Es gibt diesen Namen auch in der echten Welt.

 

Eine Leserin meinte mal, sie fände es schön, dass es keine Lotte oder Greta geworden sei, ebenfalls sehr schöne Namen, aber eben häufig vorkommend. Bluma sei ein bisschen wie ein leeres Blatt, das man noch beschreiben könne. Und ich dachte, als ich das hörte: Ja, das könnte der Grund gewesen sein.

 

Silke Schlichtmann

PS. Und auch ich bin ein bisschen Bluma ... Die Kleine hat mich nämlich auch in das beklemmende Gefühl eines schlechten Gewissens geführt. Nicht, weil ich etwas falsch gemacht hätte, sondern, weil ich etwas so lange nicht gemacht habe. Nämlich das Schreiben dieses Beitrags. Aber jetzt ist alles wieder gut mit dem Gewissen - bei Bluma und bei mir. :)

 

Liebe Silke Schlichtmann, herzlichen Dank für das schöne Buch, den Blick hinter die Kulissen - und Ihre Geduld!

Eine weitere Besprechung dieses Buchs habe ich für die KNAX-Bücherkiste auf www.knax.de geschrieben.


Steckbrief

Bluma und das Gummischlangengeheimnis

Silke Schlichtmann

mit Illustrationen von Ulrike Möltgen

 

Umfang: 176 Seiten

Preis: 12,00 Euro 

Verlag: Carl Hanser Verlag

Altersempfehlung des Verlags: ab 8 Jahre

Erscheinungstermin: 24. Juli 2017

 

Hier geht's zur Leseprobe auf der Website des Verlags.

 

 

 


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